Über die alten und neuen Mysterien – 07 – Von den großen Geheimnissen


cropped-pompeii-villa-of-mystery-3„Nicht auf einmal“, sagt Seneca, „werden einige Heiligtümer mitgeteilt. Eleusis hält etwas zurück, was nur denen bekannt wird, die sich widerum den Geheimnissen nahen. Auch die Natur macht ihre Heiligtümer nicht auf einmal bekannt. Wir halten uns bereits für Eingeweihte, und befinden uns noch im Vorhof. Jene Geheimnisse werden nicht allen ohne Unterschied geoffenbart. Sie werden zurückgehalten, und sind im innersten Heiligtum verschlossen. (Seneca Quaestion. Natural. VIII. 31) Clemens von Alexandrien hat daher vollkommen recht, wenn er die kleinen Geheimnisse als Zubereitungen, und Vorübungen zu den größeren ansieht.

Diese großen Geheimnisse waren im eigentlichen Verstand das Innere der heidnischen Religion, und was hier den Eingeweihten gesagt wurde, war so beschaffen, dass dadurch, wenn es allgemein bekannt geworden wäre, in der äußeren Religion, und im Staat selbst, eine wichtige Revolution hätte vorgehen müssen. Sie waren der Inbegriff derjenigen Einsichten, die man aus verschiedenen Gründen allen Uneingeweihten entzog, und die nur sehr wenigen, nämlich nur dem auserlesensten Teil der Priesterschaft, und den Regenten bekannt gemacht wurden. Ihnen kommen daher im eigentlichen Verstand die Namen zu, *****, der volle Anblick, *****, Dinge, von denen man nicht reden darf, *****, Vollendung u.s.w. Dies war der eigentlich wissenschaftliche Teil; alles andre waren nur gleichsam Bilder, Hieroglyphen, sinnliche Vorstellungen: hier aber wurde der Vorhang, der bisher die Wahrheit verborgen hatte, aufgezogen, und man war so glücklich, die Wahrheit ohne alle Hüllen zu erblicken. Bei den kleinen Geheimnissen waren die Gebräuche die Hauptsache, bei den großen hingegen waren dies nur Nebensachen, und die Hauptsache war der Unterricht, den man erhielt.

Das erste, was hiebei zu untersuchen ist, betrifft die Einweihung zu diesen großen Geheimnissen, und die Gebräuche und Prüfungen, unter welchen sie mitgeteilt wurden. Dass dergleichen vorhanden gewesen, ist höchst wahrscheinlich, und es scheint nicht, dass man die Einweihung zu den kleinen Geheimnissen schon für hinlänglich gehalten, oder wie Meiners glaubt, sich darauf verlassen habe, dass alle, die zu den großen Mysterien hinzukamen, angesehene Männer von bekanntem Charakter gewesen. Gingen schon bei den kleinen Geheimnissen dergleichen Zubereitungen vorher, so ist dieses noch um so vielmehr bei denen zu erwarten, die von mehrerer Wichtigkeit waren. Aber was man nur mit Wahrscheinlichkeit hieraus schließen mögte, ist auch an sich gewiß. Eben da, wo Cicero von solchen Dingen redet, die nur in den größeren Geheimnissen vorgetragen wurden, eben da redet er auch von Einweihungen zu denselben. Die Einrichtung, die Pythagoras, in Ansehung seiner inneren Schüler, gemacht hatte, und die nichts anders als eine treue Kopie der ägyptischen Mysterien war, redet gleichfalls hiefür, so wie die Prüfungen, denen er sich selbst hatte unterwerfen müssen, um an ihrem inneren Unterricht Teil zu haben. Die förmliche Beichte, die vom Lysander vor seiner Einweihung in die Geheimnisse gefordert wurde, war nicht sowohl eine notwendige Voraussetzung bei den kleinen, als vielmehr bei den großen Mysterien. Wenn ferner Proklus nicht nur von den kleinen Geheimnissen, sondern namentlich von den großen sagt, dass selbige die Seelen von dem dem Tode ähnlichen Leben hinauf zur Gottheit führten (Proklus in Rempubl. Platonis. Lib. I), so sieht man gleich, dass hier nicht bloß von Entdeckung gewisser Wahrheiten, sondern auch von Läuterungen und Zubereitungen die Rede ist. Und Gregorius von Nazianz sagt, dass niemand zu denselben einen Zutritt erlangt habe, der nicht vorher gewisse Prüfungen und Kasteiungen ausgestanden, von welchen er zwölf Stufen nahmhaft macht (Gregorii Nazianz. Orat. I. und III. adv. Julianum). Aber das ist alles, was wir hievon wissen, und es ist daher sichtbar, dass man, in Ansehung dieser Gebräuche, ein nicht weniger unverletzliches Stillschweigen beobachtet, als in Ansehung der Sachen selbst. Vielleicht hielt man sich an der sorgfältigsten Verbergung der Art der Einweihung schadlos, als es nicht mehr möglich war, alle inneren Wahrheiten der großen Mysterien dergestalt den Augen der Fremden zu entziehen, dass gar nichts davon bekannt werden konnte.

Es fragt sich nun, was denn in diesem verborgenen Inneren der heidnischen Religion, oder den sogenannten großen Mysterien enthalten gewesen? Die Alten haben die ***** immer als den Inbegriff aller, und der erhabensten Kenntnisse, angesehen. Clemens von Alexandrien, der sonst so verächtlich von den Mysterien urteilt, sagt doch von diesen: „Die großen Geheimnisse betreffen alle Dinge überhaupt. Nichts wird mehr zu lernen übrig gelassen, sondern man lernt nun die Natur und ihre Werke einsehen.“ (Clemens Alex. Stromat. Lib. V.) Und in eben der Hinsicht sagt der Verfasser des Etymologici magni, „dass man in denselben richtige Begriffe von den Göttern erhielte.“ (Sub voce *****. Warburton a.a.O. p.219) Wenn man nach diesen beiden wichtigen Äußerungen sich einen Begriff von dem machen soll, was in diesen großen Mysterien vorgetragen wurde, so waren die Kenntnisse, zu welchen man den Eingeweihten führte, teils theologischen, teils physischen Inhalts. Man kann sich über diese Verbindung nicht lange wundern: Denn in den philosophischen Schulen der Alten wurde beides aufs genaueste miteinander verbunden. Ich kann bei dieser Gelegenheit eine Anmerkung nicht vorbei lassen. Sie ist folgende. Was wir von den großen Mysterien der Alten wissen, betrifft fast nur allein die darin geoffenbarten religiösen Einsichten: Hingegen wissen wir fast gar nichts von den übrigen. Woher kommt dies? Waren etwa jene Stücke von weniger Belang? Das glaube ich nicht, das waren vielmehr diejenigen, die am meisten des Siegels der Verschwiegenheit bedurften. Ich finde hiezu nirgends anders die Veranlassung, als im Christentum. Als dieses entstand, wurden teils durch die Christen diese ehemals verschlossenen Lehren aufgedeckt, teils geschah es hin und wieder von Heiden selbst, die auf solche Weise ihre Religion von den bitteren Vorwürfen, die ihnen die Christen mit so vielem Grunde machten, zu retten, und zu beweisen bemühet waren, dass ihre Religion nicht so abgeschmackt und unvernünftig sei, als sie dem äußern nach zu sein schien.

Das erste, was in den großen Geheimnissen geschah, war die Entdeckung des Irrtums der Volksreligion. Man zeigte, dass die äußere Religion, der das Volk anhing, nicht die wahre sei. Der Mystagog, oder Hierophant, zeigte, dass diese ganze Bilderreligion nur gleichsam die Decke, oder der Vorhang sei, hinter welcher die wahre Religion verborgen wäre: Jupiter, Juno, Minerva, Mars, Venus und Merkur, und das ganze hohe Gefolge von Göttern, die von dem unwissenden und abergläubigen Pöbel verehrt wurden, waren keine Götter, sondern nur eigentlich sterbliche Menschen gewesen: Da wären sie geboren, da hätten sie gelebt, da wären auch ihre Grabmäler noch zu finden; gewisse Verdienste aber, die sie um das menschliche Geschlecht gehabt, hätten das Volk angetrieben, ihr Andenken zu verehren, und daher hätten sie endlich wirklich göttliche Verehrung erlangt. Cicero sagt dieses ausdrücklich, und gibt ganz deutlich zu verstehen, dass man dieses in den großen Mysterien gelehrt habe. „Ist nicht“, sagt er, „der ganze Himmel mit Menschen angefüllt? Wenn ich die alten Nachrichten, und unter diesen vornehmlich diejenigen zu untersuchen wagen wollte, welche die griechischen Schriftsteller aufgezeichnet haben, so würde man finden, dass auch selbst die Götter vom ersten Range von uns zum Himmel hinauf gegangen sind. Frage nur nach, was es für Gräber sind, die man in Griechenland zeigt? Erinnere dich nur, da du ein Eingeweihter bist, was hierüber in den Mysterien gesagt wird, so wirst du sehen, wie weit sich dieses erstreckt. — Es ist zwar kein Volk, das nicht Götter glauben sollte; aber es ist auch gewiß, dass sehr viele ganz irrige Begriffe von den Göttern haben.“ (Cicero Tuscul. Quaest. Lib. I. cap. 12.13) So gaben sich also die Mystagogen, die doch Priester waren, selbst als Betrüger an, von welchen das Volk im Irrtum unterhalten wurde? — Ich glaube nein: denn das würde ihnen selbst wenig Ehre gemacht haben. Sie gaben sich für das an, was sie in gewisser Hinsicht auch wirklich waren, nämlich als solche, die die wahre Religion erhalten hätten, und die Volksreligion hingegen gab man für das an, was sie war, nämlich als eine solche, die teils den Dichtern, teils den Gesetzgebern, teils auch den Philosophen ihren Ursprung zu danken hätte, die nach dem Staat und der ganzen Verfassung des Volks eingerichtet worden, und nun ohne eine große Revolution nicht abgestellt werden könnte. So erklärt sich Sravola beim Varro, den Augustin in seinen Büchern von der Stadt Gottes anführt (Warburton a.a.O. p.219.480. und Meiners a.a.O. p.296.297). Varro glaubt daher auch, dass es viele Religionswahrheiten gäbe, die man dem Volk verheelen müsse, und dass es im Gegenteil Irrtümer gäbe, die man dem Volk lassen müsse.

Die ganze Hülle des Irrtums und des Aberglaubens ward also zuerst in den großen Mysterien von den Augen der Eingeweihten weggenommen, welche daher Epopten genannt wurden, weil sie zum freien und und ungehinderten Anblick der Wahrheit gekommen waren. Bei dieser Gelegenheit musste unstreitig sehr vieles von der alten Geschichte gleichfalls in ein helleres Licht gesetzt werden, da man nunmehr die Götter, als eigentliche Menschen, kennen lernte, und zugleich von den mannigfaltigen Verdiensten unterrichtet wurde, die sie in den ehemaligen Zeiten um das menschliche Geschlecht gehabt hatten, und wodurch sie zu einem so erhabenen Rang von der dankbaren Nachwelt hinaufgesetzt worden. In den kabirischen Geheimnissen wurden aus diesem Grunde auch förmliche Geschlechtsregister von den vergeblichen Göttern bekannt gemacht. (Eusebius de Praeparat. evangel. p.20)

So sehr dies seine Richtigkeit hat, so fällt es doch einem jeden gleich in die Augen, dass diese Erklärung des Irrtums der Volksreligion nicht in allen Mysterien allgemein sein, sondern nur bei denen statt finden können, welche solche Götter verehrten, die ehemals wirklich Menschen gewesen waren. In den griechischen Mysterien ging dieses an. Bei den Ägyptern hingegen nicht, wenigstens noch in den Zeiten nicht, da die ägyptische Religion noch nicht durch den eindringenden griechischen Aberglauben ihre Ursprünglichkeit verloren hatte. Die ägyptischen Gottheiten waren keine verstorbenen Menschen, sondern vielmehr personifizierte Gegenstände der Natur. Augustin führt zwar einen Brief Alexanders des Großen an, worin dieser seiner Mutter von demjenigen Nachricht gibt, was ihm der ägyptische Hohepriester Leo von den Göttern geoffenbaret, dass sie nämlich nichts anders als sterbliche Menschen gewesen wären, und Varro sagt beim Augustinus, dass Isis und Serapis deswegen den Finger auf den Mund gelegt hätten, um dadurch anzuzeigen, man solle es verschwiegen halten, dass sie Menschen gewesen; (Augustinus de civitate Dei. Lib. VIII. cap.5. Lib. XVIII. cap.5) aber Varro ist hier, seiner übrigen Gelehrsamkeit unbeschadet, ein schlechter Kenner, und ein noch schlechterer Ausleger der ägyptischen Religion. Ist der Brief Alexanders keine Erdichtung, und hat Leo ihm wirklich dergleichen Dinge gesagt; so gehet dies allein die griechischen, und die schon nach griechischem Modell umgebildeten Gottheiten der Ägypter an. Denn in dem unverfälschten Ägyptiazismus kannte man keine Götter, die Menschen gewesen waren. Wo man also in den ägyptischen Mysterien die Hülle des Irrtums von den Eingweihten wegnahm, da ward ihm unstreitig der ganze Tierdienst, nebst dessen Ursachen und Bedeutung gelehret, und Osiris, Isis, Neitha, Athor, Phtha, Kneph, und andre ihrer Gottheiten zeigten sich in ihrer wahren Gestalt, nämlich als personifizierte Gegenstände der Natur, und das künstliche Gebäude dieser sonderbaren Religion ward entdeckt.

Dies war aber nicht allein bei den Ägyptern; auch bei den Griechen musste dieses, in Ansehung mancher Gottheiten, geschehen, die nicht sowohl aus der Geschichte, als vielmehr aus der Natur erklärt werden konnten, und erklärt werden mussten. Varro hielt schon verschiedene Gottheiten der Griechen und Römer für nichts anderes als für Elemente, oder Teile der Welt. Das war auch die Erklärung, zu welcher in späteren Zeiten einige griechische Philosophen ihre Zuflucht nahmen, um ihrer Vielgötterei ein erträglicheres Ansehen zu geben. Untersucht man aber die Sache genauer, so war dies wirklich eine Lehre der großen Mysterien. Cicero verbindet in der Tat beides miteinander, wenn er von den Erklärungen redet, die man in den zu Eleusis und Lemnos gehaltenen Geheimnissen, und in den samothrakischen Mysterien von den Göttern erhielt: er sagt nicht nur, dass die Götter gestorbene Menschen gewesen, die sich ehemals um die Welt verdient gemacht, sondern er setzt auch hinzu, dass, wenn man diese Sachen genauer untersuchte, man nicht sowohl die Natur der Götter, als vielmehr die Natur der Dinge erkennete. (Cicero de Natura Deor. Lib. I. c.42)

Es ist immer zu bedauern, dass diese Kenntnisse und Aufschlüsse mit den Mysterien, in welchen sie verborgen waren, verloren gegangen, und den Blicken der Nachwelt entzogen wurden. Denn wie viele Aussichten würden vermittelt derselben über die alte Völker- und Heidengeschichte, über ihre Naturlehren, und Kosmogenien eröffnet worden sein. Alles, was wir jetzt sagen können, ist nur dieses: davon hat man gehandelt. — Aber was hat man gelehrt? — Darüber hat Zeit und Verheerung die Decke gelegt: und wer wird sie wieder aufzuheben im Stande sein?

Der erste Schritt, den man zu Erkenntnis der Wahrheit macht, bleibt immer Erkenntnis des Irrtums. Das offenbart sich auch hier, wo von den Mysterien der Alten die Rede ist. Der herrschende Irrtum der Volksreligion ward zuerst entdeckt, und die Hülle des Aberglaubens dem Geweihten vom Gesicht genommen. Aber das würde nur immer unvollkommene Erkenntnis gewesen sein, wenn man es dabei hätte bewenden lassen. „Man nahm nicht bloß in den Mysterien“, sagt Meiners sehr richtig, „sondern man gab auch wieder, man riss nicht bloß ein altes Gebäude von Irrtümern ein, sondern baute auch ein neues herrliches von heilsamen Wahrheiten auf, von welchen das ganze Altertum glaubte, dass der große Haufen sie zu fassen aus Sinnesblödigkeit schlechterdings unfähig wäre.“ — Diesem letztern Grunde mögte ich wohl freilich nicht beistimmen; sondern man verbarg dieses alles dem Volk, weil die äußere Religion bereits so sehr mit dem Staat verbunden war, dass man diese nicht erschüttern konnte, ohne zugleich den ganzen Staat wankend zu machen. Hatte man durch jene Entdeckung die Götzen gleichsam von ihrem Thron gestürzt; so offenbarte man nun dagegen den Geweihten den einzigen wahren Gott, den Urheber und Regierer aller Dinge. Chrysippos sagt daher bei dem Verfasser des Etymologici magni, dass man in den Mysterien zu richtigen Begriffen von der Gottheit gelange, und die Seele müsse schon eine gewisse Stärke erlangt haben, um diese richtigere Begriffe vor dem Ungeweihten zu verschweigen. Der ***** *****, oder unbekannte Gott, dem die Athenienser einen Altar errichtet hatten, war vielleicht kein anderer, als der Allerhöchste, der in den Mysterien gelehrt wurde, aber dem Volk unbekannt blieb, und sein etwaiger Dienst hatte vielleicht den Mysterien sein Dasein zu verdanken. Clemens von Alexandrien, dieser sonst so lebhafte Bestreiter der Mysterien, gestehet ihnen selbst dieses zu, ja er will sogar, dass das Wort der Wahrheit in den Adytis derselben eben so versteckt gewesen sei, als bei den Juden im Allerheiligsten.

In den samothrakischen Geheimnissen wurde ebenfalls diese Lehre vom Dasein eines einzigen höchsten Wesens vorgetragen. Man mag von den sogenannten orphischen Gedichten, die hin und wieder in den Schriften der Alten angeführt werden, denken wie man will, man mag sie alle ohne Ausnahme für erdichtet und untergeschoben erklären; so ist doch so viel gewiß, dass diejenigen, welche dieselben untergeschoben, die Lehre von einem einzigen Gott für eine solche erkannt haben, die in den großen Mysterien gelehrt wurden. „Ich will“, heißt es in einem dieser Gedichte, „zu den Geweihten reden, schließt aber zuvor die Türen den Profanen zu, die sich vom rechten Wege entfernen, den die Gottheit allen vorgeschrieben hat. Höre zu, Musäus, Sohn der schönen Selene! Ich sage jetzt die Wahrheit frei heraus, und lass nicht durch die alten Vorurteile dich einer glückseligen Ewigkeit berauben. — Siehe an den einigen Regierer der Welt, den Unsterblichen, wie ihn die alte Lehre uns offenbaret. Er ist nur ein einziger, und von sich selbst. Alles ist von ihm hervorgebracht, und auch er wirkt in allen Dingen. Es hat ihn kein Sterblicher gesehen, und er wird auch nur im Verstande erkannt. Außer ihm ist kein Gott.“ (Euseb. de Praeparat. evang. Lib. III. p.664)

So wahr, und so erhaben waren die Begriffe, die man in den großen Mysterien den Eingeweihten von dem einigen und höchsten Gott beibrachte. Ich will es nicht ganz in Abrede sein, dass nicht hie und da sich Pantheismus mit eingemischt habe. Wenigstens blickt derselbe in einigen orphischen Gesängen durch. Aber wo ist man nicht zuweilen auf diesen Abweg geraten? Selbst die Mystiker der mittleren Zeiten sind davon nicht frei gewesen, und es darf daher billiger Weise niemand befremden, wenn man auch hier zuweilen dergleichen Abwege antrifft, für welche sich solche Leute nicht haben sichern können, die mit ganz andern Hilfsmitteln versehen waren.

Ob man in den Mysterien, wie Meiners glaubt, bei dem Unterricht von Gott die Methode gehabt, die nachmals Platon und Zeno hatten, dass sie nämlich den Menschen auf die Betrachtung der Welt geführt, und von dan auf den Urheber derselben schließen lassen, ist sehr ungewiss. Die Stellen, wo Cicero von den eleusinischen und samothrakischen Mysterien sagt, dass man in denselben mehr die Natur der Dinge, als die Beschaffenheit der Götter bekannt mache, desgleichen wenn Clemens von Alexandrien sagt, dass man in den Mysterien die ganze Natur und ihre Werke kennen lerne, scheinen mir noch nicht diese Methode zu beweisen. An beiden Stellen ist nicht sowohl von der Lehrart, als vielmehr davon die Rede, dass man auch die Lehre von den Göttern der Volksreligion aus der Natur erklärt, und sie als personfizierte Gegenstände der Natur angegeben. Mehr mögte noch dafür die vom Meiners aus dem Galenus angeführte Stelle reden. Aber untersucht man auch diese Stelle mit Genauigkeit, so sagt sie nichts anders, als dass man in den eleusinischen und samothrakischen Geheimnissen die Natur der Dinge untersucht, und daraus die Weisheit, Macht und Güte des Schöpfers der Tiere anschaulich gemacht. (Meiners a.a.O. p.301-303) Daraus ist indes jene angegebene Methode noch nicht erwiesen, und was man von der Natur der Dinge in den Mysterien kennen lernte, das konnten vielmehr nur Bekräftigungen der geoffenbarten Wahrheit, als Mittel, um jene zu erkennen, sein. So verhält es sich auch noch in Ansehung dieser Lehre, und es würde eine sonderbare Art von Offenbarung sein, wenn man jemanden was lehrte, worauf er schon von selbst hätte kommen können.

Ehe ich hier abbreche, muss ich noch eine andre Sache untersuchen, die in diesem Fach von Wichtigkeit ist. Es fragt sich nämlich, ob die Ägypter je richtige Begriffe von der Gottheit gehabt, und selbige in ihrem Mysterien vorgetragen haben? Diese Frage muss natürlich einen jeden befremden, der alles das liest, was ich bisher über die Mysterien geschrieben habe, und ich würde sie nicht aufwerfen, wenn die Meinung von den Einsichten der Ägypter nicht in unseren Zeiten an eben dem Mann einen Widersacher erhalten hätte, der noch das Beste über die Mysterien der Alten geschrieben hat. Nach Meiners Gedanken (S. Meiners Versuch über die Religionsgeschichte. 296.) sind die ägyptischen Priester ganz einerlei gewesen mit den Jongleurs in Amerika, den Schamanen in Sibirien, den Talapoinen in Siam, den Bonzen in China, u.s.w. Kurz, heilige Betrüger, ehrwürdige Gaukler und Taschenspieler, und ihre Geheimnisse waren nicht Lehren, nicht wissenschaftliche Kenntnisse, sondern Zeremonien und Gaukeleien. Was diesen gelehrten Mann zuerst auf diesen Gedanken gebracht, scheint die Übereinstimmung zu sein, die zwischen den ägyptischen Priestern und den Jongleurs statt gefunden, dass nämlich bei jenen, wie bei diesen, das Priestertum erblich gewesen, und sich in ununterbrochener Reihe vom Vater auf den Sohn fortgepflanzt, und nicht einmal alle Klassen von Priestern, sondern nur wenige von ihnen im ausschließenden Besitz der Geheimnisse gewesen.

Dieses hat freilich den Anschein; aber es ist doch, genau untersucht, nicht hinreichend. Denn wollte man alle diejenigen Priesterschaften, bei welchen das Priestertum erblich gewesen, in die Klasse der Jongleurs und heiligen Taschenspieler setzen, was soll man denn von den Juden denken? Auch bei diesen war das Priestertum an einen heiligen Stamm gebunden, wie in Ägypten, und die hohepriesterliche Würde fiel vom Vater auf den Sohn. Selbst bei den Griechen waren verschiedene Würden bei den Geheimnissen, wie ich oben erwähnte, eben so erblich, und Meiners macht doch in Ansehung der Griechen eine Ausnahme. Auch bei diesen wurden nur wenige aus der Priesterschaft zu den großen Geheimnissen hinzugelassen, und er hält doch nicht ihre Geheimnisse für solche, die in leeren Zeremonien und religiösen Taschenspielereien bestanden, sondern wissenschaftliche Kenntnisse enthalten.

Um zu zeigen, dass die Ägypter in ihren Mysterien keine wissenschaftliche Kenntnisse gehabt, führt Meiners folgende Gründe an:

1. Wenn sie so viel zu verbergen gehabt hätten, warum kann man denn nicht wenigstens einige Kenntnisse nennen, und bestimmt angeben? Ich antworte darauf: Was wir von den griechischen Mysterien wissen, sind auch nur entfallene Worte. Wo kann aber der Schluss statt finden: Wir wissen nicht bestimmt anzugeben, welche Kenntnisse die Ägypter in ihren Mysterien gelehret, also haben sie gar keine gehabt? Kann es uns befremden, dass wir so wenig bestimmtes davon sagen können, da kein einziges echtes, altes, ägyptisches Denkmal, das verständlich ist, bis auf uns gekommen? — Brucker, heißt es ferner, gibt geheime Theologie an: aber Brucker wusste nicht, dass die Ägypter keine Lehrer, sondern heilige Zeremonienmeister hatten. — Ich denke, dies soll erst bewiesen werden. Der Beweis aber mögte wohl nicht gültig sein: Die Ägypter hatten keine wissenschaftlichen Kenntnisse, (welche allerdings Lehrer voraussetzen) denn sie hatten keine Lehrer, sondern nur heilige Zeremonienmeister.

2. Wenn sie aber auch noch nicht bewiesene Wissenschaften hatten, warum verbargen sie selbige? Wahre Wissenschaften verstecken, um sie zu verstecken, ist wider die Gesetze der sittlichen Natur. — Diesen Einwurf darf man nur bloß den von Meiners selbst verteidigten Griechen entgegen setzen. Mag es doch immerhin wider die Gesetze der sittlichen Natur sein, mögen doch immerhin Gaukler und Narren in Höhlen und Krypten, Sokratesse hingegen an öffentlichen Orten gelehrt haben; so geschah doch bei den Griechen eben das. Und eben damals, als die Sokratesse in Griechenland öffentlich lehrten, verheelte man bei den Griechen ihre geheime Theologie, Naturlehre und andere Wissenschaften, und teilte sie nur allein denen mit, die zu den großen Mysterien eingeweiht waren, und der Philosoph, der eingeweiht war, musste eben diejenigen Wahrheiten verschweigen, die er als ein Ungeweihter ungescheut hätte vortragen können. Dieselben Gründe, warum die Griechen so verfuhren, hatten auch gewiß die Ägypter, und die Volksreligion war bei diesen nicht weniger, als bei jenen, ein unüberwindliches Hindernis.

3. Bei den wenigen wahren Kenntnissen, die sie hatten, waren sie nicht zurückhaltend. Was sie von der Naturgeschichte, Einbalsamierung der Körper, Einrichtung des Jahres wussten, sagten sie dem Herodot ohne Umstände. Demokrit, Platon, Eudoxus reisten nach Ägypten, gingen mit Priestern um, und von keinem steht geschrieben, dass er sich habe einweihen lassen. — Sehr recht: — aber auch von keinem steht geschrieben, dass er sich um andere als solche Kenntnisse beworben, die allgemein waren. Auch in Griechenland waren die Wissenschaften frei, und wurden öffentlich gelehrt, und dennoch existierten nebenher wissenschaftliche Geheimnisse. Und selbst Herodot stößt doch in seiner Geschichte auf Dinge, die er sich zu sagen ein Bedenken macht.

4. Wird dasjenige als Fabel verworfen, was vom Pythagoras erzählt wird. Diese ganze Verwerfung aber beweist weiter nichts, als dass man das Beispiel dieses Philosophen nicht gebrauchen kann, um den Ägyptern in ihren Mysterien wissenschaftliche Kenntnisse eben zulegen. Ich werde nachmals von dieser Schule der Pythagoräer besonders handeln. Indessen wird ein jeder sehen, dass die vorhin angeführten Gründe nicht hinreichend sind, den Ägyptern wissenschaftliche Kenntnisse in ihren Geheimnissen abzuleugnen, und sie bloß zu Taschenspielern zu machen.

Meiners hat aber selbst, was er hier leugnet, anderswo wieder den Ägyptern zugestanden, und sich dahin erklärt, dass sie gewiße von den Fabeln der Volksreligionen verschiedene Kenntnisse besessen, die nicht allgemein bekannt werden durften, dass sie diese Kenntnisse in Büchern aufbewahrt, die dem großen Haufen nicht bloß unverständlich waren, sondern auch entzogen wurden, dass sie diese Kenntnisse in gewissen Mysterien nur einigen wenigen, und zwar nicht anders, als nach langwierigen Prüfungen mitgeteilt, welche die alte Geschichte des Reichs, die Beobachtungen aus der Naturgeschichte ihres Landes, ihre Lehre über die Bewegungen der himmlischen Körper, und ihre Meinung vom Ursprung der Welt sowohl, als von der Natur der Gottheit enthalten. (Meiners vermischte philos. Schriften. 3. Th. p.210.211) Wenn man nicht allen historischen Glauben mit Füßen treten will, kann man auch nicht anders denken. Und ist es andem, was die Griechen selbst von dem Ursprung ihrer Mysterien sagen, worin ihnen auch die Ägypter beigetreten sind, dass nämlich die Geheimnisse der Griechen eigentlich ägyptischen Ursprungs gewesen; (ebenda. p.240.241) So ist es unmöglich, dass man den griechischen Mysterien wissenschaftliche Kenntnisse zugestehen, und solche denen wiederum gänzlich ableugnen kann, von welchen die Griechen selbige nur empfangen hatten. Es ist aber gar kein Grund vorhanden, warum die Griechen, die sonst so eifersüchtig auf alles waren, was ihnen Ehre bringen konnte, die Erfindung der Mysterien eben den Ägyptern zugeschrieben haben, wenn sie bei ihnen zu Hause gehöret hätten. Es ist wahr, sie erzählen nebenher, dass Ceres die Mysterien zu ihnen gebracht habe: aber wer siehet nicht zugleich ein, dass dieses zu den Legenden gehört?

Gesteht man aber den Griechen, die die Geheimnisse von den Ägyptern empfangen hatten, es zu, dass sie in denselben richtige Begriffe von Gott vorgetragen, und den einzigen wahren Gott den Eingeweihten geoffenbart haben; so ist die Frage in Ansehung der Ägypter auch so gut als entschieden. Alles, was Meiners im 13. Kapitel seiner Religionsgeschichte hiewider gesagt hat, widerlegt sich von selbst, und wird auch durch seine eigene Erklärung widerlegt, dass die ägyptischen Priester in ihren Mysterien die Natur der Gottheit gelehrt, ob sie gleich nicht eine so reine natürliche Theologie gehabt hätten, als man den Pythagoras und einige andre aus Ägypten holen lassen.

Diese ganze Materie verdiente noch einer nähern Untersuchung, bei welcher notwendig die Frage in Betracht kommen würde, welches die ursprüngliche Religion dieses Volks gewesen? Aber diese Untersuchung würde mich zu weit von meinem Zweck entfernen. Ich gehe daher zu anderen Gegenständen der großen Mysterien.

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